Grundlegende Begriffe:
Jetzt wird es etwas komplizierter…! Wie auch bereits unter der Rubrik „Fliegenruten“ beschrieben, werden auch die Fliegenschnüre in sogenannte AFTMA-Klassen eingestuft. Die Klasseneinteilungen beschreiben das Gewicht der Fliegenschnur auf den ersten 9,14 m. Der aufmerksame Leser fragt sich nun „Warum genau 9,14 m?“. Die einfache Erklärung lautet: 9,14 m entsprechen 30'ft und wurden im Jahre 1959 ursprünglich als Normlänge festgelegt. Diese Länge entsprach der optimal ausgezogenen Schnur für den Wurf mit der Fliegenrute. D.h. die 9,14 m Fliegenschnur wurden mit der Rute beim Wurf außerhalb der Rutenspitze beschleunigt und wirkten sich entsprechend auf die Performance und die Balance der Rute aus!
Heutzutage haben aber die ersten Meter der Fliegenschnur, je nach Verwendungszweck, verwendeter Rutenlänge und Wurftechnik, unterschiedliche Anforderungen und spezielle Eigenschaften zu erfüllen. Daher werden die modernen Schnüre auch mit unterschiedlich langen „Kopflängen und -gewichten" zwischen 7 m bis 15 m hergestellt. Die Unterschiede der Schnurtypen sind somit sehr groß und nicht mehr uneingeschränkt untereinander vergleichbar. Es kann grundsätzlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass z.B. eine #6er Fliegenschnur von Hersteller „A“ auch immer optimal zur #6er Rute von Hersteller „B“ passt. Die AFTMA-Klasseneinteilungen eignen sich heute nur noch als grobe Richtwerte für Standardschnüre.
Unterschiedliche Schnurtypen:
Die modernen Fliegenschnüre sind, in Teilen verjüngte und extra für unterschiedliche Wurfsituationen entwickelte Spezialschnüre, die im Zusammenspiel mit der richtigen Wurftechnik, die Fliege sauber durch die Luft transportieren sollen. Fliegenschnüre werden im Aufbau in vier Grundtypen eingeteilt:
Parallelschnur, Bezeichnung: „L“ (Level)
Doppelt, je am Ende verjüngte Schnur, Bezeichnung „DT“ (Double Taper)
Keulenschnur, Bezeichnung „WF“ (Weight Forward)
Schusskopf, Bezeichnung „ST“ (Shooting Taper) oder auch "SH" (Shooting Head)
Diese Fliegenschnüre werden zudem „schwimmend (F = Floating)“, „schwimmend mit sinkender Spitze (ST=Sink Tip)“, im Wasser „schwebend (I=intermediat)“ und „sinkend (S = Sink)“ hergestellt.
Ein Beispiel: Eine Fliegenschnur mit der Bezeichnung „WF 8 F“ ist also eine Keulenschnur der AFTMA - Klasse 8, schwimmend.
Art und Aufbau:
Früher wurden Fliegenschnüre aus Seide hergestellt und waren sehr teuer. Seidenschnüre werden auch heute auch noch hergestellt aber nur noch von sehr wenigen Individualisten verwendet.
Moderne Fliegenschnüre sind heutzutage aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt. Sie bestehen aus einem geflochtenem Kern (die „Seele“) und einer Kunststoffummantelung (das „Coating“).
Parallelschnüre („L“) werden auf Grund ihrer eingeschränkten Wurfeigenschaften kaum noch gefischt, daher gehen wir hier nicht näher drauf ein.
DT- Schnüre lassen sich bei kürzeren und mittleren Wurfweiten sehr sauber auf der Wasseroberfläche ablegen. Sie eignen sich besonders auf kurze Distanzen zur natürlichen Präsentation der Fliege. DT- Schnüre kann man auf der Rolle umdrehen, wenn die Schnur älter wird und bereits Verschleißspuren ausweist. "Umgedreht" kann man sie noch einmal eine ganze Zeit lang weiterfischen. Bei einer nur einseitig verdickten WF geht das dagegen nicht.
WF- Schnüre haben durch ihre vordere Verdickung (dem „Belly“) wiederum andere Vorteile. Das „Belly“ sorgt im Abrollen ebenfalls noch für eine einigermaßen gute Präsentation der Fliege. Durch den dicken vorderen Teil der Schnur lassen sich aber noch deutlich höhere Wurfweiten erzielen. Sie ist daher heute der gängigste Schnurtyp. WF-Schnüre gibt es in vielen verschiedenen Ausführungsvarianten mit unterschiedlichen Keulenlängen. Diese variieren je nach Einsatzzweck. Schnüre mit kurzen, schweren Keulen unter 10m kommen schon einem Schusskopf ziemlich nahe und lange Belly’s dem Abrollverhalten einer DT-Schnur. Der Hauptteil der Fliegenschnur (die „Runningline“) sorgt in erster Linie für den Transport des vorderen Teils der Schnur inkl. Vorfach. Sie muss möglichst gut durch die Ringe gleiten und zudem Einiges aushalten können.
Der Schusskopf ("ST“ / "SH" ) ist im Grunde nach nur eine schwere Keule ohne die zusätzliche Hauptschnur („Runningline“) hinten dran. Hier muss die „Runningline“ zusätzlich mit eingeschlauft werden. Der große Vorteil eines Schusskopf-Systems ist daher die Flexibilität. Ich kann bei wechselnden Bedingungen also schnell reagieren und mich der örtlichen Situation anpassen. Wechselt der Wind an der Küste oder will ich eine tiefe Rinne in einem Fluss ausfischen – der Schusskopf ist schnell getauscht und bietet so eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Oft lassen sich die Fliegen an den Schussköpfen allerdings nicht ganz so sauber präsentieren wie an Keulenschnüren. Daher macht z.B. die Fischerei mit der Trockenfliege an einem Schusskopf-System keinen Sinn. Vielmehr eignen sich Schussköpfe beim Fischen mit dem Streamer auf lange Distanz oder bei sich ständigen verändernden Bedingungen, und immer da wo es nicht unbedingt auf eine saubere Präsentation der Fliege ankommt.
Schnurgewichte und -klassen:
Nun ist es leider so, dass es bei den Herstellern von Ruten und Schnüren keine einheitlichen Vorgaben gibt. Manche Schnüre fallen von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich aus, obwohl die gleiche Schnurklasse draufsteht. Eine verpflichtende, normgerechte Einteilung für Kopflängen und -gewichte gibt es leider nicht. Oftmals stellt sich erst nach dem Kauf einer Schnur heraus, dass die verwendete Rute mit einer Schnurklasse höher besser harmoniert hätte, als nach der AFTMA – Klasse angegeben. Hier ist eine sachkundige Beratung vor dem Kauf sehr viel wert. Wer schon erfahrener ist, der sollte mit der gewählten Rute mehrere Schüre zur Probe werfen (gute Händler ermöglichen das ohne Schwierigkeiten). Für Anfänger werden oft komplette, auf einander bereits abgestimmte, „Set’s“ eines einzelnen Herstellers angeboten. Wer dennoch seine Fliegenschnur, ohne zuvor Probe zu werfen, von einem anderen Hersteller kaufen möchte, der sollte die Schnur nach dem angegebenen Kopfgewicht in Gramm bzw. Grains aussuchen. Das ist auf der Verpackung aufgedruckt und somit wesentlich genauer! Dazu muss man natürlich wissen, welches Kopfgewicht für meine Rute ideal ist. Diese Daten kann der Händler oder notfalls der Rutenhersteller direkt liefern.
Die folgende Tabelle zeigt die Klasseneinteilung einer Standardschnur in Zusammenhang mit Gramm bzw. grain!
Ein großer Nachteil dieser Gewichtsklassifizierung für Standard-Fliegenschnüre (die vorwiegend für kleinere Flüsse oder Bäche konzipiert wurden) liegt in den höheren Schnurklassen für die Verwendung von kurzen Keulen oder Schussköpfen, die gerne an der Küste oder an größeren Flüssen geworfen werden. Mit den modernen Ruten kann man wesentlich größere Schnurlängen werfen, was gerade zum Meerforellen fischen oder auf Lachs und Steelhead notwendig ist.
Da das Gewicht pro Meter Schnur von Klasse zu Klasse aber logarithmisch ansteigt, hat dies besonders in den hohen Schnurklassen große Auswirkungen auf die Wurf-Performance. Man muss dabei verstehen, dass die Wirkung des Wurfgewichtes stark von der Schnurlänge abhängt, auf der das Gewicht verteilt ist. Je länger die Schnur also ist, desto höhere Gewichte kann man mit einer Rute noch werfen. Es kommt also immer auf den eigentlichen Anwendungsbereich an und was der Hersteller für die Rute ursprünglich als Schnur vorgesehen hat. Hat er die Rute z.B. für eine Longbelly Schnur (lange Keule) entwickelt und man wirft damit aber einen kurzen Schusskopf, kann es sein, das der Werfer in solchen Situationen meist eine höhere Schnurklasse wählen muss, als in der seine Rute ursprünglich klassifiziert ist. Bei der Verwendung von kurzen Keulen in gleicher Klasse kann dann das Gewicht nicht ausreichen um die Rute optimal aufzuladen und die Schnur „abzuschießen“.
Im Jahr 2004 wurde daher ein neues Klassifizierungssystem (AFFTA), zunächst bezogen auf Spey- und Zweihandruten für die Lachsfischerei im Fluss, veröffentlicht. Dieses neue System klassifiziert folgende Speyline- bzw. Schusskopfgewichte, welches sich auch für moderne Einhandschnüre übertragen lässt: